deutsch

Aufruf – No Border Camp * 15.-24. Juli 2016 * Münster (Westfalen)
Freedom of Movement und Bleiberecht für Alle sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Beide Forderungen richten sich gegen ein System der Repression, Restriktion und Verwaltung von Menschenleben. Den Rahmen dieses Systems bildet ein Wirtschaftssystem, das die Akkumulation von Gewinnen über die Würde des einzelnen Menschen stellt. Die Akkumulation von Gewinnen lässt sich nur über ein wirtschaftliches Wachstum erreichen. Diese Logik beschränkt sich dabei nicht nur auf die nach Außen gerichtete Ausbeutung von Natur und Arbeitskraft, sondern wächst in den Menschen und alle Lebensbereiche und Verhaltensweisen hinein. Stichworte wie Leistungsdruck, Selbstoptimierung und Vereinzelung sind hier nur drei in einer Reihe von Vielen. Das Konzept des Wohlfahrtsstaats scheitert – nicht nur im Süden von Europa – und der Machterhalt von Staaten und die Begründung ihrer Legitimität wird über die Schaffung von Feindbildern, einhergehend mit einer Ausweitung administrativer und exekutiver Befugnisse durch einen Polizeiapparat gesichert. Stereotype Geschlechtsvorstellungen, Rassismus und Überwachung werden remobilisiert, um Bevölkerungen zu überwachen.
Soziale Kämpfe in Form von Aufständen, Kampagnen, Bewegungen und Camps stellen all dies ernsthaft in Frage. Ihnen gemeinsam ist die Fokussierung und der Rückbezug auf soziale Beziehungen, der dem Individuum seine menschliche Bedeutung und Gestaltungskraft zurückgibt. In Zeiten abstrakter Arbeit und Selbstmanagement wird in den kollektiven Räumen von Aufständen und Camps das soziale Miteinander von Menschen zurückerobert und in Form von Selbstorganisation und konsensualen Entscheidungen gelebt.
Mit Begeisterung beobachten wir daher die Vorbereitung und Planung des No Border Camps in Thessaloniki, zu welchem viele verschiedene Menschen aus ganz Europa anreisen werden, um gemeinsam Strategien gegen die globalen und lokalen Missstände zu entwickeln und gleichzeitig an Plänen für ein alternatives Zusammenleben zu schmieden. Aufgrund der derzeitigen Situation in Europa und der Welt werden jedoch nur wenige Menschen, die sich nicht bereits in Griechenland oder Thessaloniki aufhalten die finanziellen, zeitlichen und rechtlichen Möglichkeiten haben zum No Border Camp in Thessaloniki zu fahren. Wir in Münster wollen daher mit der Organisation eines No Border Camps in dieser Stadt, die für nichts außer Fahrradfahren so wirklich bekannt ist, einen Raum schaffen, um auch hier über die Verhältnisse und Zusammenhänge in welchen wir leben in den Austausch zu kommen. Wir hoffen, dass auch in weiteren Städten in Nordeuropa ähnliche Räume eröffnet werden, um die Teilnahme auch denen zu ermöglichen, die aufgrund ihrer Abhängigkeiten nicht die zeitlichen oder finanziellen Ressourcen haben, nach Griechenland zu reisen, oder die aufgrund eines ungeklärten Aufenthaltsstatus bzw. einem Leben in Illegalität rein rechtlich an dieser Option gehindert werden.
Inspiriert von der Energie, die sich im Rahmen des Protestcamps an der Wartburgschule im Mai 2015 entwickelt hat, wollen wir die Zelte erneut aufschlagen, uns kennenlernen und begegnen und gemeinsam Strategien für ein alternatives Miteinander entwickeln.
Inhaltlich schließen wir uns dem wunderbaren Aufruf der Aktivist*innen aus Thessaloniki an, welche in einem 9-Seitigen Papier eine beeindruckenden Rahmen für das große No Border Camp gesetzt haben. In Bezug auf offene Grenzen sind wir der Meinung, dass diese mit einer starken Position für eine sichere Bleiberechtsperspektive für Alle verbunden sein müssen. Wie wir da hin kommen wollen wir mit allen gemeinsam überlegen und uns verschiedene Handlungsmöglichkeiten ausdenken. Das Patentrezept dafür haben auch wir nicht, unabdingbare Voraussetzung ist jedoch das wir miteinander reden.
Die Organisation des Camps soll dabei selbstorganisiert, anti-hierarchisch und konsensual stattfinden. Gleichzeitig beobachten wir, dass auch linke Strukturen von Grenzen umgeben sind und setzen uns daher dafür ein, dass das Politische streitbar bleibt und in einem „fehlerfreundlichem“ Raum stattfindet. Dennoch gilt: rassistisches, sexistisches, homophobes oder sonstiges diskriminierendes und verletzendes Verhalten geht gar nicht klar.
Also. Anstatt nur von einer besseren Welt zu träumen und die bestehende zu kritisieren, lasst uns gemeinsam daran arbeiten Alternativen der Solidarität zu entwickeln und diese auch zu leben. Wenn ihr jetzt schon Ideen für Workshops, Veranstaltungen, Konzerte, coole Partys etc. habt – großartig! Dann organisiert das doch einfach schon jetzt. Ansonsten – Freund*innen, coole Kontakte, Ideen, Enthusiasmus, Campingkram und brennende Herzen ab in den Rucksack und:
Yalla – Let’s camp!
No Border Camp Münster 2016